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31/März/2025

Kaninchen – Meister des Versteckens
 
Bisher haben wir uns die „Jäger“ betrachtet, jetzt kommen wir mal zu den „Gejagten“, denn da läuft leider einiges anders.
 
Beutetiere leben evolutionär gesehen in ständiger Angst gefressen zu werden und in der Natur wird meist das schwächste Tier zuerst zum Mittagessen. Was ist also die logische Konsequenz für ein krankes oder verletztes Kaninchen? Es wird so lange so tun als hätte es kein Problem, bis es das nicht mehr aushält. Und dann klärt der Fuchs das Problem.
 
Unsere Haustierkaninchen haben diesen Instinkt leider immer noch und so bemerken wir Menschen ihre Schmerzen meist erst dann, wenn sie schon stark ausgeprägt sind – oder manchmal gar nicht, weil die Tiere sich schleichend verändern. Da sind wir dann wieder beim „der wird halt alt und ruhiger“. Also müssen wir bei diesen Tieren NOCH aufmerksamer sein und uns den „echten“ Status des Tiers ein wenig zusammenpuzzeln.
 
Futteraufnahme und Gewicht
 
Das Fressen ist ein Indikator, aber er eignet sich nicht als alleiniger Parameter. Der Überlebenswille ist stark in den Tieren und deshalb fressen sie auch unter stärksten Schmerzen häufig weiter. Ich habe Tiere mit komplett vereiterten Kieferhälften gesehen, die Übergewicht hatten!
 
Also schauen wir uns nicht nur an, OB sie fressen, sondern auch WIE. Kaut ein Tier einseitig oder langsamer, sieht die Kaubewegung „unrund“ aus, knirscht es mit den Zähnen, sucht es bestimmtes Futter, meidet es bestimmtes Futter, hat es verklebte oder nasse Mundwinkel vom Speichel.
 
Besonders oft sehen wir diese Symptome natürlich bei Zahnproblemen, die auch meist schmerzhaft sind. Die Frage ist: Wo hat das Tier sein Zahnproblem her und die Antwort dafür ist, ganz häufig, Schmerz in ganz anderen Bereichen.
 
Körperhaltung und Verhalten
 
Natürlich gibt es auch bei Kaninchen Körperhaltungen, die auf Schmerzen hindeuten. Klassisch ist das Herunterdrücken des Popos bei Schmerzen im Bereich Blase / Gebärmutter / hinterer Rücken oder flaches auf-den-Bauch-Legen bei Bauchschmerzen. Auch Kaninchen können ruhiger erscheinen oder plötzlich z.B. den Sprung auf die Couch meiden. Natürlich können sie auch einfach „humpeln“.
Außerdem gibt es auch bei Kaninchen ein sogenanntes „Schmerzgesicht“, dazu kommen wir im nächsten Punkt.
 
Ein weiteres Werkzeug: der Rabbit Grimace Scale
 
Auch wenn es kein schönes Thema ist, machen wir einen kurzen Ausflug in die Versuchstierkunde. Bei Tierversuchen muss objektiv beurteilt werden, ob ein Tier Schmerzen hat oder nicht und zwar objektiv von jedem Mitarbeitenden, egal ob empathisch, Kaninchenkenner, … Also hat man ein Punktesystem erstellt basierend auf der Mimik des Kaninchens, welches uns auch bei den Hauskaninchen weiterhelfen kann. Unter https://nc3rs.org.uk/3rs-resource-library/grimace-scales/grimace-scale-rabbit kann man sich ein Poster herunterladen, wo diese Scala erklärt ist und wir empfehlen Kaninchenbesitzer:innen mit kranken Tieren das ruhig immer mal wieder durchzuführen um zu sehen, ob es schleichende Veränderungen gibt. Inzwischen gibt es auch eunsere eigene Version als Grafik, wer damit besser zurecht kommt: www.tierarztpraxis-geske.de/downloads
 
Zum Abschluss ein ganz, ganz, GANZ wichtiger Punkt:
 
Schmerzen können für Kaninchen viel schneller weitreichende Konsequenzen haben als bei Hund oder Katze, weil JEDER Grund nicht perfekt zu Fressen zu einem Zahnproblem mit der ganzen Latte an Auswirkungen führen kann – oder zu einem akuten Magen-Darm-Problem, das unbemerkt schnell lebensbedrohlich wird. Daher müssen Schmerzen beim Kaninchen immer schnell bekämpft werden. Leider kursieren immer noch teils sehr veraltete Dosierungen, sodass viele Tiere nicht genügend abgedeckt sind, Kolleg:innen sei hier die Initiative Schmerztherapie (https://www.vetline.de/initiative-tiermedizinische-schmerztherapie-itis) empfohlen. Diese Empfehlungen sind zwar für Tierhaltende nicht zugänglich, die Empfehlung darf aber natürlich gern weitergegeben werden, falls noch nicht bekannt!
 
Und damit endet heute unser Schmärz. Wir hoffen, es waren ein par Anregungen dabei und wünschen Ihnen alles Gute!

27/März/2025

Heute wird es ein bisschen praktischer: Es geht um konkrete Schmerzanzeichen bei Hund und Katze.
 
Ausdruck von Schmerz können folgende Lautäußerungen sein:
 
• Schreien
• Jaulen
• Winseln
• Leises Stöhnen
• Schmatzen
• Abwehrbrummen oder Knurren
 
Aber auch Verhaltensveränderungen, Belecken von bestimmten Körperstellen, verstärktes Hecheln..
 
Mit Hilfe unseres Fragebogens können Sie überprüfen, ob Sie einen Schmerzpatienten zuhause haben, Sie finden ihn unter folgendem Link: https://www.tierarztpraxis-geske.de/downloads/
Da waren doch ein paar mehr „ja“s als gedacht? Dann machen Sie gern einen Termin bei uns aus und bringen Sie uns den Fragebogen mit oder senden ihn vorab per Mail.

19/März/2025

Was ist denn eigentlich Schmerz und was ist ein Schmerzgedächnis?

Zunächst einmal ist Schmerz – ähnlich wie Stress – etwas ganz Positives, auch wenn die meisten von Ihnen beim Lesen dieser Worte spontan heftig den Kopf schütteln wollen. Denn es zeigt, dass der Körper funktioniert. Schmerz hat nicht nur eine Warnfunktion (Vermeidung des schmerzauslösenden Reizes) sondern ist auch in der Heilungsphase von Bedeutung (Schonhaltung und Verhindern einer weiteren Gewebeschädigung).

Schmerz ist der Definition Manfred Zimmermanns (deutscher Schmerzforscher) nach ein Sinneserlebnis, „das durch tatsächliche oder drohende Verletzung ausgelöst wird, motorische und vegetative Schutzreaktionen hervorruft, zu erlernter Vermeidung führt und möglicherweise artspezifisches Verhalten ändert, einschließlich das Sozialverhalten“.

Chronische Schmerzen (länger als drei bis sechs Monate andauernd oder immer wiederkehrend) führen zu körperlichen Einschränkungen und beeinträchtigen das Befinden und die Stimmung – genau wie bei uns Menschen. Die körperliche und seelische Belastbarkeit unserer Haustiere ist vergleichbar eingeschränkt und in der Folge reduziert sich auch deren Leistungsfähigkeit.

Wird aus einem akuten Schmerz ein chronischer, verliert er seine Signalwirkung. Der Schmerz besteht dann losgelöst von der ursprünglichen Erkrankung und es entsteht ein Schmerzgedächtnis.

Das Schmerzgedächnis

Schmerzen beeinflussen die Aktivität der an der Schmerzweiterleitung und -wahrnehmung beteiligten Nerven. Starke, sich wiederholende oder chronische Schmerzen führen im Sinne eines negativen Lerneffektes zu einem „Erinnerungsbild“. Das kann sich so zeigen, dass sogar bei völlig fehlendem äußeren Reiz spontan Schmerzen auftreten bis hin zu starken Dauerschmerzen.

Unzureichend behandelte Schmerzen können also Spuren im Zentralnervensystem hinterlassen, die die Empfindlichkeit für Schmerzreize erhöhen und somit zu einer stärkeren Schmerzwahrnehmung führen.

Umso notwendiger ist es, dass Schmerzen frühzeitig erkannt und in der Konsequenz auch behandelt werden. Um an ein ausgeprägtes Schmerzgedächtnis heranzukommen, finden wir in der Physiotherapie und/oder Behandlungsmethoden der Physikalischen Therapie (wie z.B. Strom) eine adäquate Behandlungsmöglichkeit mit der das „Erinnerungsbild“ verändert werden kann.  In manchen Fällen ist aber auch eine lang dauernden medikamentelle Therapie (mind. drei Monate) unbedingt notwendig, um den Schmerzzustand zu „durchbrechen“.

Da die Kommunikation von Schmerzen bei unseren Haustieren mitunter schwierig ist, ist es besonders wichtig, dass Sie wissen, wie unsere vierbeinigen Familienmitglieder Schmerzen zeigen.


11/März/2025

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Ihr Tier vielleicht Schmerzen hat? Auch wenn nicht, lohnt es sich, die nächsten Posts mitzuverfolgen.
 
Meist kommt man eher auf die Idee bei älteren Tieren zu überlegen, ob Schmerz die Antwort wäre auf Veränderungen, die sich in irgendeiner Weise eingeschlichen haben. Die Gefahr dabei besteht, dass man einige davon auf das Alter, das Wetter o.ä. schiebt.
 
Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, welche sich z.B. in plötzlicher Lahmheit mit oder ohne deutliche Lautäußerung zeigen, sind chronische Rückenschmerzen oftmals gar nicht so leicht zu erkennen.
 
Genau wie bei uns Menschen erhöhen Schmerzen die bestehende Muskelverspannung zusätzlich. Die Folgen davon sind:
 
– Bewegungseinschränkungen werden größer,
– die Erschöpfbarkeit nimmt weiter zu und
– die Schmerzintensität steigt.
 
Einschränkungen im täglichen Leben verursachen bei unseren tierischen Begleitern Verhaltensveränderungen auf dieselbe Art und Weise wie bei uns. Ärger, Angst, Mutlosigkeit oder Durch-/Aushalten sind gängige Möglichkeiten im Umgang mit Schmerz.
 
Ein Meister im „heldenhaften Durchhalten“ sind übrigens die Retriever Rassen – höchstwahrscheinlich bedingt durch den ausgeprägten „will to please“. Es ist oft gar nicht so einfach, herauszufinden, ob der Labrador zuhause Schmerzen hat, wenn weiter am Fahrrad gelaufen, Bällchen gespielt oder vor Freude wild rumgehüpft wird. Manchmal hilft die „empathische Übertragung“ der eigenen Lebenserfahrungen. Eine außerordentlich intensive Wanderung am Wochenende führt ebenso zum Muskelkater und Erschöpfung mit deutlicher Steifigkeit am nächsten Tag. Ein Sturz (im wilden Spiel, von der Treppe, beim Sprung,…) verursacht genauso nicht-sichtbare Verletzungen wie bei uns und das auch mal ohne, dass man schreiend durch die Stadt läuft.
 
Ältere Tiere sind übrigens sehr dankbare physiotherapeutische Patienten. Das Ziel darf hier immer die Bewegungsqualität trotz oder im Alter sein – auch ohne dass schlimme behandlungswürdige Schmerzen dahinterstecken.

05/März/2025

 

Im 2. Teil der Reihe möchte ich Ihnen erst mal die hauptsächliche Verfasserin dieser Reihe vorstellen: meine liebe Kollegin Dr. Ann-Kristin Morys.

Frau Dr. Morys habe ich quasi von meinem Vorgänger „geerbt“ und bin sehr froh, dass sie geblieben ist. Ihre Fachrichtung ist, unterer anderem, die Orthopädie, und das ist sehr schön, denn: da bin ich eine ziemliche Niete. Während ich meistens nur sagen kann „ist kaputt“, sagt sie mir dann, was kaputt ist. Außerdem macht sie definitiv die schönsten Ortho-Röntgenbilder von uns allen, das muss man neidlos anerkennen.

Sie ist neben Tierärztin auch Tierphysiotherapeutin und Cranio-Sacral-Therapeutin, außerdem hat sie sich in den Bereichen Geriatrie (Probleme im Alter) und Demenzpatienten, Schmerztherapie, Kinesio-Taping, Blutegeltherapie, Dorntherapie und Sportphysiotherapie fortgebildet.

Seit fast 20 Jahren ist sie nun quasi ausschließlich in ihrem Fachgebiet unterwegs, 16 Jahre lang hat sie die physiotherapeutische Abteilung der Kleintierchirurgie der Uni Gießen geleitet, seit 6 Jahren ist sie Tutorin bei der ATM und 2x die Woche tut sie das, was sie am Besten kann, auch bei uns in der Praxis und ich freue mich sehr, dass wir sie haben.

Eine kleine Bemerkung am Rande: Frau Dr. Morys ist nicht nur für unsere eigenen Kund:innen da, sie behandelt auch „Fremdkund:innen“. Sollten Sie also im Laufe der Reihe denken „Oha..“, dann dürfen Sie gern dürfen Sie gern bei uns in der Praxis einen Termin ausmachen, auch wenn Sie bereits ein:e Haustierärzt:in haben.

Without further ado übergebe ich die Tastatur also an meine Lieblingsorthopädin!


01/März/2025

Heute pusten wir erneut den Staub von den guten Vorsätzen und starten einen Themenmonat! Den mussten wir nämlich komplett im Voraus planen, sodass ich nicht vergessen kann, dass ich ja was posten wollte. Ich Fuchs! Ich präsentiere:
 
Den SCHMÄRZ.
 
Nein, es hat nichts mit der aktuellen politischen Lage zu tun, auch wenn ich die Assoziationen verstehen kann. Nein, wir haben noch keine schlechte Wortspiel-Kasse. Nein, wir machen auch keine, sonst bin ich nach 2 Wochen pleite 🫣
 
In diesem Monat soll es also um das Thema Schmerz bei Tieren gehen, egal ob Hund, Katze oder Kaninchen. Wir erklären Ihnen, was Schmerz ist, wie Sie ihn erkennen und warum das Thema manchmal ganz schön schwierig und langwierig werden kann.
 
Wir haben uns für mehrere, kurze Beiträge entschieden, die im Laufe des Monats gepostet werden und wünschen Ihnen jetzt schon viel Spaß mit unserer Reihe!
 
Noch ein Hinweis in anderer Sache: Unsere Homepage wurde gehackt und musste leider offline genommen werden. Ich hatte daher die letzten Tage das zweifelhafte Vergnügen schnell eine neue Seite zu improvisieren, aber: sie ist in ihren Grundfunktionen fertig – wir sind wieder online! Die fehlenden Inhalte kommen dann die nächsten Ta.. Wo.. die nächste Zeit 😉 

18/Feb./2023

 

Den Spruch “die vermehren sich wie die Karnickel” haben wir vermutlich alle schon mal gehört, kaum einer weiß jedoch, warum bzw. wie diese kleinen Tiere so unheimlich produktiv sein können. Das Geheimnis heißt (unter anderem): Induzierter Eisprung.

Wir Menschen haben, wenn alles gut läuft, einen Zyklus. 28 Tage, Eisprung, 28 Tage – plusminus. Auch Hunde haben einen Zyklus, wenn er auch deutlich länger dauert. Eins ist uns gemein: Wir können nur zu bestimmten Tagen im Zyklus schwanger oder eben trächtig werden.

Bei Kaninchen läuft das anders. Bock springt auf, löst einen Eisprung aus und juhu, ihr Kinderlein kommet. Da ist nichts mit 30% Chance und auch nur wenn der Zyklusstand passt und die Sonne richtig zum Saturn steht. Zu 99% gilt: ein Schuss, ein Treffer. Für Kaninchen ist das ein Überlebensmechanismus, denn je mehr Nachkommen ich habe, desto weniger schlimm ist es, wenn einzelne davon gefressen werden – zumindest aus Sicht des Arterhalts. Also sind diese Tiere evolutionär so gestaltet, dass sie ständig trächtig werden können und sollen und genau da liegt der Hase auch im Pfeffer: Unsere Haustierkaninchen sollen das nämlich üblicherweise nicht, daher kastrieren wir die Böckchen oder halten Mädelsgruppen um das zu verhindern. Was wichtig und richtig ist – nur bevor hier einer auf die Idee kommt ich würde Vermehrung aus gesundheitlichen Gründen gutheißen.

Bedauerlicherweise (zumindest in diesem Fall) interessiert die Evolution sich überhaupt nicht dafür, was wir wollen und zieht ihr Programm durch. Ein anderes Kaninchen reitet auf? Eisprung. Egal ob Bock oder Weib, ob Deckversuch oder Dominanzgehabe. Mensch krault am Rücken? Eisprung. Bei jedem Eisprung fährt der ganze Hormonapparat hoch, bildet die Gebärmutter um, gibt neue Anweisungen an die Eierstöcke, ändert eventuell das Verhalten und richtet sich auf Babys ein.

Und dann? Passiert nichts.

Also fährt der Körper wieder runter, baut alles wieder zurück und wenn es blöd läuft, kommt einige Tage später die nächste Runde.

Bei Katzen ist es übrigens das Gleiche, allerdings tun sie sich den Gefallen meist sehr lautstark rollig zu werden. Und zwar so lautstark und so penetrant, dass die Fraktion der Besitzer, die die Katze gern ein Mal rollig werden lassen wollen (warum auch immer..), meist an Tag 2 mit Augenringen in der Praxis steht und notfallmäßig einen Kastrationstermin will😉

Dieses Hin und Her birgt Risiken. Häufig bleibt die Gebärmutter irgendwann angebildet, es gibt Entzündungen, Zellen verändern sich, relativ häufig kommt es zu Krebs. Wie oft ist noch unsicher, in Studien an Kaninchen kamen Wahrscheinlichkeiten von 3-95% raus – allerdings lagen die Studien, die wirklich vermehrt ältere Haustierkaninchen untersucht haben und nicht etwa Jung- oder Wildtiere, deutlich im oberen Bereich. Unter den Heimtiermenschen gilt: untersuche eine unkastrierte Kaninchendame im Alter über 8 gründlich und du wirst eine veränderte Gebärmutter finden. Wenn nicht, guck nochmal genauer. Punkt.

Oft gibt es aber auch schon mit 2 oder 3 Jahren problematische Veränderungen (teils auch früher!) und leider sind diese im Frühstadium häufig nicht so einfach zu bemerken. Manchmal sieht man die Gebärmutter im Röntgen, dann ist eigentlich schon was faul. Manchmal sieht man etwas im Ultraschall, manchmal kann man etwas tasten. Der “Normalfall” ist allerdings leider, dass sie sehr spät erkannt werden, oft auch erst, wenn Tumore bereits in andere Organe gestreut haben. Besonders häufig ist die Lunge betroffen, spätestens dann haben wir verloren und können das Kaninchen nur noch erlösen. Übrigens zeigen längst nicht alle betroffenen Kaninchen ständige Scheinträchtigkeiten, das ist also kein verlässliches Symptom.

Eine mögliche Lösung: Die Kastration. Raus mit den Eierstöcken, meist auch raus mit der Gebärmutter.

Es ist eine radikale Lösung. Es ist eine Bauch-OP mit Narkoserisiken, es kann zu Wundheilungsstörungen kommen, zu Infektionen, auch mal zu Verklebungen im Darmbereich, die später Ärger machen können. Aber im Prinzip ist es Statistik: Die Wahrscheinlichkeit an Gebärmutterkrebs oder einer unerkannten Entzündung zu sterben oder im Not-OP u landen, ist höher, als die OP-Risiken. Und sterben ist das eine, aber so eine veränderte Gebärmutter ist schmerzhaft und macht dem Tier Stress – wir wissen ja nun zu Genüge, wie unfassbar leidensfähig Kaninchen sind und welcher Rattenschwanz (Stichwort Zähne) da dran hängen kann.

Leider ist diese Entscheidung eine, bei der man erst hinterher weiß, ob es richtig war. Gibt es Komplikationen bei der OP, verflucht man sich dafür, dass man sich so entschieden hat. Sind erst mal Metastasen in der Lunge, verflucht man sich, dass man nicht anders entschieden hat. Aber bitte befassen Sie sich mit dem Gedanken, informieren Sie sich und treffen Sie die Entscheidung aktiv und nach bestem Wissen und Gewissen.

Das beste Alter für diese OP ist übrigens ab 6 Monaten bis ca. 1 Jahr, hier ist das Fett um die Gebärmutter noch nicht so ausgeprägt, alles ist noch recht klein und fein und die Tiere üblicherweise gesundheitlich fit. Und achten Sie bitte darauf, dass der Eingriff in einer Praxis durchgeführt wird, die die entsprechenden Kenntnisse hat und eine gute Narkose fahren kann. Erzählt ein:e Kolleg:in irgendwas davon, dass er/sie das so selten macht, weil die so häufig bei der OP sterben, holen Sie sich bitte eine Zweitmeinung bei einer Praxis mit entsprechenden Fortbildungen. Wir legen jede Woche mehrere Kaninchen in unterschiedliche Narkosen und kann Ihnen versichern: Man kann wirklich sehr, sehr viele Dinge tun um das so sicher wie möglich zu gestalten. Natürlich kommen wir nie auf ein Risiko von 0 und ich will auch nicht verschweigen, dass ich einmal ein scheinbar gesundes Tier operiert habe, das 2 Tage nach der OP plötzlich starb (Grund ungeklärt) – aber durch ein gutes Management und moderne Narkosen liegen wir bei Todesfällen im Bereich 0,x% und damit deutlich unter der Wahrscheinlichkeit einer Krebsdiagnose.

Noch ein Wort zu den Kosten: Die Kastration eines weiblichen Kaninchens ist keine Bagatell-OP. Es handelt sich um eine Bauch-OP bei einem höchst empfindlichen Tier, das eine besondere Überwachung braucht, Venenzugang, Infusion, Sauerstoff von Einleitung bis Aufwachen, ein saugutes Wärme- und Lagerungsmanagement, eine gut kontrollierte Aufwachphase mit assistierter Fütterung, eine nahezu perfekte Schmerzausschaltung mit gleich mehreren Schmerzmitteln – das kann es nicht für 200 Euro geben. Wie hoch die Kosten genau sind, kommt auf den Schwierigkeitsgrad der OP (also unauffällige Gebärmutter vs. hochgradig veränderte), das Gewicht des Kaninchens (Narkosemedikamente), Dauer der Narkose und eventuellen Komplikationen an. Wenn Ihnen aber eine Kostenschätzung deutlich unter 500 Euro vorliegt (Stand 02/2023!), dann sollten Sie schauen, welcher der oben genannten Punkte fehlt und überlegen, ob es die Ersparnis wert ist. Und das ist “nur” die finanzielle Untergrenze – fragen Sie also vorher ihre:n Tierärzt:in und kalkulieren Sie lieber eine Ecke mehr ein, auch wenn es finanziell weh tut.

Bei Fragen oder Anregungen können Sie, wie immer, gern Kontakt aufnehmen oder einen Termin vereinbaren.

Wir wünschen ein schönes Wochenende!


21/Nov./2021


Schief abgeriebene Schneidezähne sind ein absolutes Warnsignal, auch das Sabbern (die feuchte Stelle am Hals) deutet auf ein Problem hin.

Heute gibts Teil 1 unserer Kaninchen-Reihe und wir beginnen gleich mit einem der frustrierendsten Gesundheitsthemen überhaupt:

Die Zähne

Oder warum eine Augenentzündung manchmal von einem Gebärmuttertumor kommt und was das Gebiss damit zu tun hat.

*hier bitte unheilvolle Musik einfügen*

Der Zahnapparat beim Kaninchen ist unheimlich empfindlich. Er ist darauf ausgelegt, dass Kaninchen ständig fressen und zwar bitteschön auch das Richtige, da nur bei Blättrigem (Gras, Kräuter, ..) die richtige Mahlbewegung ausgeführt wird. Kaninchenzähne wachsen nämlich ständig weiter und es ist ihnen dabei herzlich egal, ob das eigentlich gerade nötig ist – werden sie nicht brav abgerieben, drücken sie sich eben nach oben oder unten in den Kiefer hinein. Blöderweise ist da nur ein paar mm Platz, bevor es Probleme gibt.

Nach unten ist irgendwann einfach Ende, sie brechen durch den Kiefer und dann ist da plötzlich eine Beule zu spüren, die manchmal hart wie Knochen ist. Solche Zähne können nicht mehr gerettet werden, man muss sie ziehen und die Beule entleeren.

Nach oben wird es komplizierter. Für den ersten Backenzahn und die Schneidezähne kommt erst mal der Tränen-Nasen-Kanal, über diesen läuft die Tränenflüssigkeit normalerweise ab. Drückt sich nun einer dieser Zähne nach oben, entsteht eine Engstelle, an der sich Sekret sammelt und entzündet – das Kaninchen hat eine „Augenentzündung“ oder „Schnupfen“.

Regel Nummer 1: Jedes Kaninchen mit einem entzündeten Auge oder einer eitrig laufenden Nase hat bis zum Beweis des Gegenteils ein Zahnproblem!

Die hinteren Backenzähne sitzen direkt unter dem Auge und können dort zum „retrobulbären Abszess (=Entzündung hinter dem Auge) führen. Im schlimmsten Fall wachsen sie sogar in die Augenhöhle hinein. Siehe Regel Nummer 1!

Wie kann es dazu kommen?

Die Gründe für ein solches Überwachstum sind vielfältig.

Falsches Futter steht ganz oben auf dieser Liste, wenn es blöd läuft, reicht schon die Pelletfütterung beim Züchter aus um den Grundstein für spätere Probleme zu legen.

Auf Platz 2 stehen jegliche Art von Schmerzen und Unwohlsein – da sind wir wieder bei der oben genannten Gebärmutter. Eine entzündete Gebärmutter oder Tumore dort tun permanent weh. Das Kaninchen fühlt sich unwohl und frisst schlechter. Die Zähne wachsen und drücken auf den Tränen-Nasen-Kanal. Und als Konsequenz muss ich dann den Besitzern erklären, warum ich bei einer ollen Augenentzündung gern mal ein Röntgenbild oder Sono vom Bauch machen würde 😉

Eine weitere häufige Ursache von Schmerzen, insbesondere bei Widderkaninchen, ist eine Entzündung der Ohren, die man oft nicht von außen und nur bedingt im Röntgen sehen kann. Außerdem sind Rückenschmerzen durch Spondylosen, also Knochenausziehungen der Wirbelkörper, immer wieder ein Problem und auch Blasengries oder Blasensteine sehen wir häufig.

Wie findet man denn nun heraus, ob ein Zahnproblem vorliegt?

Das ist gar nicht so einfach. Der Blick ins Maul (NIEMALS Maulspreizer am wachen Tier, wir arbeiten ausschließlich mit dem Otoskop!) gibt Hinweise: Sind die Schneidezähne symmetrisch? Farbe? Rillen? Und die Backenzähne? Stehen sie in einer Reihe? Alle gleich hoch? Ist irgendwo Eiter im Maul? Gibt es größere Haken (kleine in Kaurichtung sind normal!)? Sind Zähne gekippt? Entzündungen sichtbar? Blutet was?

Ist da was auffällig, ist das in den allermeisten Fällen nur die Spitze des Eisbergs. Ist da alles unauffällig, heißt das aber nicht zwingend, dass alles ok ist, schließlich steckt der größte Teil des Zahns im Kiefer.

Also: röntgen. Besser wäre noch ein CT und noch besser ein DVT – aber davon träumen wir hier in der Gegend nur..

Meist sind mindestens 4 Aufnahmen nötig um beurteilen zu können, ob und was da faul ist – plus eine Ganzkörperaufnahme. Beim netten, ruhigen Langohr geht eine Übersichtsaufnahme zum Screening manchmal wach, meist legen wir die Kaninchen aber dazu schlafen und schließen die Zahnsanierung direkt hinten an, wenn nötig. Für diese Standard-Aufnahmen gibt es Hilfslinien (Böhmer-Crossley-Linien), die verraten, ob z.B. die Kauebene stimmt oder Zähne zu weit nach oben gewachsen sind.

Am schlafenden Kaninchen werden dann die Zähne sondiert, man schaut also nach lockeren Zähnen, Zahnfleischtaschen oder kommt mir irgendwo schon der Eiter entgegen.

Die Behandlung

Danach kommt, wenn nötig, der richtig ätzende Teil: Das Ziehen der Zähne, die nicht gerettet werden können. Warum ätzend? Das OP-Feld ist winzig. Bricht eine Wurzel ab, hat man manchmal keine Chance mehr sie zu bergen oder nur mit größter Mühe. Die Dinger sitzen oft bom-ben-fest, egal wie morsch sie eigentlich sind. Hinterher gibts deutlich häufiger Infektionen als bei Hund und Katze, weshalb wir immer eine Antibiose geben. Und wenn es richtig blöd läuft und man nicht jede einzelne Zelle des zahnbildenden Gewebes erwischt hat, bildet sich das Mistding einige Zeit später wieder nach und macht noch mehr Ärger!

Ist das geschafft, gehts ans Einschleifen. Die Haken müssen raus, die Kauebene muss wieder hergestellt werden und der Druck von allen Zähnen, deren Wurzeln im Röntgen auffällig waren. Millimeterarbeit in dem winzigen Maul.

Und dann?

Unbedingt ALLES optimieren, was geht. Veränderte Gebärmutter raus, Schmerzmittel für die Spondylosen oder die Ohren, Haltung und Fütterung optimieren. Und beten, egal zu wem Sie da Connections haben. Denn meist heißt es leider: einmal Zahni, immer Zahni. Also regelmäßige Kontrollen, eventuell regelmäßig nachschleifen. Auch als Besitzer kann man den Kiefer abtasten, ob irgendwo „Knubbel“ sind, außerdem raten wir zum Wiegen alle paar Tage um eine schleichende Gewichtsabnahme nicht zu verpassen.

Übrigens: die meisten Zahnpatienten werden mir zum Impfen vorgestellt – „aber der frisst doch ganz normal!“ ist leider ein GANZ schlechter Marker für Gesundheit beim Kaninchen. Wie sagte mal ein Prof so schön: „Wenns nicht frisst, stirbts. Also frissts halt.“

Fortbildungstipps

An diesem Punkt möchte ich gern schamlos etwas Werbung für 2 tolle Projekte einstreuen.

1. Eine der meiner Meinung nach derzeit besten Internetseiten für Kaninchen: kaninchenwiese.de. Besonders die Fütterungsinfos dort kann ich voll und ganz unterschreiben.

2. Meine liebe Kollegin Diana Ruf bietet Tierhalterseminare zu verschiedenen Themen an, unter anderem auch zu Fütterung und Zahngesundheit unter https://elopage.com/s/dianaruf . Die Seminare sind fundiert und trotzdem sehr kurzweilig, ich selber kenne ihre Tierärzte-Seminare, die ich wirklich klasse fand. Es gibt in ihrem Shop auch Gutscheine – nur, falls Sie noch Weihnachtsgeschenke suchen 😉

Die Fotos oben stammen übrigens von genau so einem Kaninchen, das mir zum Impfen vorgestellt wurde. Es hat KEIN primäres Schneidezahnproblem, sondern ein massives Backenzahnproblem, das dann erst viel später für eine schiefe Abnutzung der Schneidezähne sorgte. In den verkippten Aufnahmen sieht man gut, wie schief und krumm die Wurzeln durch den Druck von oben sind und dass sie kurz vor dem Durchbrechen des Kiefers stehen. Der arme Kerl ist übrigens nicht mal 4 Jahre alt.

Grund war hier wohl die Fehlfütterung des Vorbesitzers. Dieses Kaninchen wird leider nie wieder ganz gesund werden, wir können die Erkrankung nur noch in Schach halten. Wie lange? Ungewiss..


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